Gebäude verantwortlich für 40 Prozent der CO2-Emissionen: die Forschungszulage könnte das Klima retten

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Der Klimawandel zählt zu den größten Herausforderungen für uns und die kommenden Generationen. Gebäude, im Vergleich zum Auto, werden in der Klimaschutzdebatte deutlich weniger thematisiert. Vor dem Hintergrund der weltweit zunehmenden Urbanisierung gilt es die graue Energie des Bauwesens zu beleuchten.

Klimakiller Beton
Laut jüngsten Studien sind Gebäude für 40 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Und Beton ist der im Bauwesen am meisten verwendete Baustoff und zugleich aufgrund seiner Zusammensetzung, nämlich aus Zement, ein wahrer Klimakiller. Die Herstellung von Zement macht 8 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen aus – Kalkstein enthält CO2, was bei der Verbrennung zu Zement freigesetzt wird. Die Zement-Herstellung hat an der CO2-Emission der deutschen Industrie sogar einen Anteil von 11 Prozent. Wie lassen sich beim Neubau durch innovative Materialien und Baumethoden die CO2-Emissionen reduzieren?

Gebäudelebenszyklus: Anfang und Ende extrem klimaschädlich
Generell wird bei jedem Neubau so viel Emission freigesetzt, dass die Sanierung eines Bestandsgebäudes die umweltfreundlichere Lösung wäre. Jedoch kann ein Altbau meist nicht oder nur eingeschränkt dem zukünftigen Raumnutzungskonzept angepasst werden. Daher sind Abriss und Neubau gängige Lösung.

Der Gebäudelebenszyklus beginnt bei der Errichtung und endet beim Abriss oder der Umnutzung. Bei der Errichtung kommt es zu einem extremen Energieverbrauch und auch am Ende des Gebäudelebenszyklus verschlechtert sich die Klimabilanz durch veraltete Fenster, zunehmende Mängel an der Gebäudehülle oder Wartungsstau. Und beim Abriss sollten die Baustoffe mit überschaubarem Aufwand wieder genutzt werden können – dafür ist verklebter Styropor der größte Feind.

Über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes kann es innovative Ansätze in den Bereichen Bautechnik, Baumaterial, Software für Baustellenorganisation, Software zur Überwachung von Lieferketten und Baufortschritt etc. geben, die förderfähig sind. Dies beginnt bei der digitalen Baustelle und endet bei neuen Recyclingmethoden von Baustoffen nach dem Abriss.

Bauprozess: Graue Energie reduzieren
Die Herstellung von Baustoffen und Bauteilen, der Transport von Menschen, Maschinen, Bauteilen und Materialien zur Baustelle und der eigentliche Bauprozess sind notwendig, um ein neues Gebäude zu errichten. Sie werden als graue Energie bezeichnet, denn sie sind notwendig, damit nach Fertigstellung der Verbraucher/Kunde das Gut Wohnung, Einfamilienhaus, Büro, Werkstatt etc. nutzen kann. Nach der Fertigstellung fällt der direkte Energiebedarf durch die Benutzung an.

Die graue Energie macht etwa 50 Prozent des Energieverbrauchs im gesamten Gebäudelebenszyklus aus. Während die Lebensdauer mehrere Jahrzehnte umfasst, ist die Errichtung je nach Gebäudetyp nach wenigen Monaten (8 Monate beim Mehrfamilienhaus) bis zu 3 Jahre bei Hochhäusern abgeschlossen. Somit sind Lösungen für die Reduzierung der grauen Energie für ein klima- und ressourcenschonendes Bauen essenziell, damit die CO2-Bilanz verbessert wird.

Baumaterialien im Fokus
Laut dem Statistischen Bundesamt wurden 2019 bei Mehrfamilien-Wohngebäuden mit mehr als drei Wohnungen Stahlbeton deutlich mehr verwendet als etwa Holz. Anders fällt die Bilanz beim Blick auf Einfamilien- und Zweifamilienhäuser aus, wo Holz dominiert. Ebenso kommt beim Fertigteilbau hauptsächlich Holz zum Einsatz, während Stahlbeton, Ziegel, Kalksandstein im Segment des mehrgeschossigen Wohnungsneubau die primären Baustoffe sind.

Forschung zu Beton gefragt
Bislang wird Beton aufgrund von Zement als Klimakiller angeprangert. Aber lässt sich Beton ohne Zement herstellen? Generell wird im Beton Zement verwendet, um Sand und Kies zu verbinden. Forscher der University of Tokyo (Institute of Industrial Sciene) haben eine neue Methode entwickelt, um Beton ohne Zement herzustellen: Sie haben Sandpartikel durch eine Reaktion in Alkohol mit einem Katalysator direkt miteinander verbunden. Herausforderung und Unsicherheit waren, das richtige Verhältnis von Sand und Chemikalien zu finden, um ein Produkt mit ausreichender Festigkeit zu erhalten. In vielen Versuchsreihen wurden zahlreiche Mischungen erprobt. Am Ende erhielten die Forscher ausreichend starke Produkte mit Quarzsand, Wüstensand und simuliertem Mondsand, die sogar bessere Eigenschaften als klassischer Beton haben. Die experimentelle Erforschung von weiteren neuartigen Verfahren zur Herstellung von Beton ohne Zement wäre durch die Forschungszulage förderfähig.

Alternativ zu Zement kann Beton mit Ton hergestellt werden. Dies bedeutet jedoch Abstriche bei der Festigkeit, denn Beton mit Ton hat eine zehnmal niedrigere mechanische Festigkeit als Beton mit Zement. Jedoch würde die Festigkeit für nichttragende Innenwände ausreichen und somit könnte der Zementverbrauch reduziert werden. Womöglich lässt sich die Festigkeit von Beton mit Ton durch chemische Optimierungen und Veränderungen so passen, dass die gleiche Festigkeit wie Beton mit Zement erzielt wird.

Ein Bauwesen ohne Zement wäre für die Klimabilanz von Gebäuden zentral. Alternativ gibt es Forschungen an Zementarten die nicht nur CO2-Neutral, sondern deren CO2-Bilanz sogar negativ ist. In der Schweiz wurde sogenannter Öko-Zement auf der Basis von Magnesiumsilikat entwickelt.

Daneben kann das Recycling von Festbeton und Frischbeton einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Ebenso wie der alltägliche Einsatz von Recyclingpapier ist, so sollte Beton mit rezyklierter Gesteinskörnung überall Verwendung finden können. Die Herstellung von Recycling-Beton ist technisch möglich. Um aber auf die gleiche Konsistenz wie Beton zu kommen, sind zahlreiche Maßnahmen hinsichtlich Schwind- und Kriecheigenschaften notwendig. Auch Forschungen im Bereich Baustoffrecycling wären förderfähig, wenn das Ergebnis unsicher und der konkrete Ansatz erstmals erforscht wird.

Die Verwendung von anderen Industrie-Abfallprodukten zur Betonherstellung, wie derzeit bereits von der Stahl- und Kohleindustrie, könnte ggf. so innovativ sein, dass die Forschung hierzu den Frascati-Kriterien entspricht. Daneben ist Zement im Beton auch dafür verantwortet, dass bei Stahlbeton das Rosten des Stahls verzögert wird. Somit sind bei Beton ohne Zement Lösungen für den besseren Schutz des Stahls, ein Stahlersatz etc. gefragt. Ferner besitzt Beton einen geringen Wärmeschutz und benötigt eine zusätzliche Dämmung. Auch innovative Ansätze für diese negativen Eigenschaften wären förderfähig.

Ziegel und Holz modifizieren
Neben Beton weisen auch andere Baumaterialien eine negative Ökobilanz auf. Dazu gehören Ziegelsteine aus Ton die bei 1000 Grad und Lehmziegel, die bei 900 Grad gebrannt werden müssen. Immerhin werden Ziegel in rund einem Drittel der Neubauten als Wandmaterial verwendet. Eine Senkung der CO2-Emission ist durch die Zugabe mineralischer Additive möglich, wie das Institut für Ziegelforschung (IZF) nachweisen konnte: „Hintermauerziegeltone enthalten für gewöhnlich große Mengen an Carbonaten, die beim Brand CO2 freisetzen. Der teilweise Ersatz des Tons durch karbonatfreie Additive reduziert die Menge an Carbonaten und somit an CO2. Je weniger Carbonate also im Ton enthalten sind, desto besser für die Klimabilanz“, so Alexander Knebel.

Holz ist nicht gleich Holz. Einer der ältesten Baustoffe wird heute als Lösung für die Ökobilanz von Häusern betrachtet: Holz ist als einziger Wandbaustoff CO2-Neutral und somit sehr klimafreundlich. Der nachwachsende Rohstoff ist vergleichsweise leicht und hat eine gute Wärmedämmung. Jedoch ist bauen mit Holz nur nachhaltig, wenn das Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt – idealerweise aus heimischen Wäldern. Während Holz beim Ein- und Zweifamilienhaus bereits vielfach Verwendung findet, ist der Einsatz von Holz im Geschosswohnungsbau und Hochhausbau kaum vertreten. Erste Holzhochhäuser stehen in Bergen, Vancouver, Stockholm und Wien.

Sowohl statische Anforderungen als auch Sicherheitsbestimmung führen dazu, dass häufig Hybridgebäude mit einem massiven Sockel- und ersten Obergeschoss entstehen. Erst darüber werden mit Holzfertigteilen die weiteren Etagen errichtet. Treppenhäuser und Fahrstuhlschächte sind aus Beton. Auch werden Stahlträger zur Stabilisierung verwendet. Neue technische Entwicklungen machen es möglich, dass mit Holz immer höher gebaut wird. Dazu werden die Naturfasern leicht mit Metallen angereichert und stabilisiert. Bei einem Forschungsprojekt bei der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) in Zürich wurden Eisenoxidpartikel in Zellen von Buchenholz eingelagert, damit Buche besser mit Temperaturschwankungen umgeht. Daneben gibt es zahlreiche weitere Versuche z.B. mit Jod, um die Besiedlung von Mikroorganismen zu blockieren.

Fazit
Das Bauwesen bzw. Bauen, charakterisiert durch Rohstoffgewinnung, Baustoffherstellung und Errichtung von Bauwerken, hat eine enorme Bedeutung für den Klimawandel. In der Vergangenheit setzte die Herstellung von Zement mehr CO2 als der gesamte Flugverkehr frei. Die Zementindustrie ist Grundlage für die Herstellung des Baustoffes Beton, der weltweit verarbeitet wird. Es gibt zahlreiche neue Ansätze um Beton ohne Zement, in einer anderen Zusammensetzung oder aus recycelten Materialien herzustellen. Die Forschungskosten an neuen Baustoffen, neuen Verfahren oder chemischen Zusammensetzungen könnten ggf. durch die Forschungszulage gefördert werden.

Quellen:
Beton ohne Zement? Einfache Chemie wird die Nachhaltigkeit der Betonproduktion verbessern, chemie.de (erschienen am16.4.2021).

Bauen und Wohnen, Baufertigstellung von Wohn- und Nichtwohngebäuden nach überwiegend verwendeten Baustoff, Destatis (erschienen 14.07.2020).

Knebel, Alexander (März 2020): Neue Beimischung in Ziegelsteinen verbessert Klimabilanz, ZUSE-Gemeinschaft.

Dr. Carsten Schmidt

Dr. Carsten Schmidt