Das Anreiz-Experiment Forschungszulage ist auf der administrativen Ebene jetzt vollständig handlungsfähig. Nachdem aus der Wirtschaft Berater und Steuerkanzleien und auf behördlicher Ebene die Bescheinigungsstelle Forschungszulage bereits seit Monaten die Anträge auf steuerliche Forschungsförderung ausarbeiten und prüfen, sind jetzt die Finanzämter über Elster in das zweistufige Verfahren eingebunden. Damit ist die Antragsbearbeitung – entsprechend der gesetzlichen Regelung – nach mehr als einem Jahr des Inkrafttretens des FZulG komplett aktiviert.
Erstmals ab dem 1. April 2021 können Unternehmen die Forschungszulage beim Finanzamt beantragen. Deutschlandweit werden in den nächsten Wochen die Mitarbeiter der 600 Finanzämter in den 16 Bundesländern die Anträge auf Forschungszulage prüfen. Während die Erstprüfung zur Forschungsqualität des Projekts zentral über die neu geschaffene Bescheinigungsstelle Forschungszulage (BSFZ) abgewickelt wird, entscheiden jetzt die jeweils zuständigen Finanzämter der beantragenden Unternehmen eigenständig über die Höhe der Forschungszulage.
Bis Ende Januar 2021 hatte die BSFZ insgesamt 158 von bislang 189 bearbeiteten Anträgen positiv geprüft. Die Quote von 84 Prozent ist durchaus hoch, wenngleich Herr Robert Schwertner, Geschäftsführer der Innomagic Deutschland GmbH, von dem österreichischen Äquivalent Forschungsprämie auch von einer durchschnittlichen Quote von 60 bis 70 Prozent berichtet. Alle Unternehmen mit einem positiven Bescheid der BSFZ können ihren Antrag auf Forschungszulage bei den Finanzämtern einreichen, was jedoch keine Einbahnstraße zu Erstattung der beantragten Fördersumme ist.
Das zuständige Finanzamt prüft, ob die angegebenen Aufwendungen für FuE dem Unternehmen tatsächlich entstanden sind. Dies erfolgt stets rückwirkend. Zu den förderfähigen Aufwendungen bei eigenbetrieblicher Forschung und Kooperationsforschung zählen Lohnkosten für die FuE-Mitarbeiter von bis zu 4 Mio. Euro pro Wirtschaftsjahr, die maximal zu 25 Prozent gefördert werden. Grundlage für die Erfassung sind Stundenzettel pro Mitarbeiter und Forschungsprojekt. Die Personalkosten müssen eindeutig dem Forschungsprojekt zuordenbar sein, wenngleich im Antrag auf Forschungszulage die einzelnen Arbeitnehmer jedoch nicht namentlich aufgeführt werden. Bei Auftragsforschung werden pauschal 60 Prozent des Entgelts gefördert, das für ein in Auftrag gegebenes begünstigtes Forschungs- und Entwicklungsvorhaben beim Auftraggeber entstanden sind.
Die Forschungszulage zahlt das Finanzamt nicht direkt als Überweisung an das Unternehmen aus. Sie wird im Rahmen der nächsten erstmaligen Festsetzung von Einkommen- oder Körperschaftsteuer durch Anrechnung auf die festgesetzte Steuer berücksichtigt. Nur wenn die Forschungszulage die festgesetzte Einkommen- oder Körperschaftsteuer übersteigt, kommt der übersteigende Betrag direkt auf dem Unternehmenskonto an. Generell handelt es sich bei der Forschungszulage durch die Anrechnung auf die festgesetzte Ertragssteuer um eine Steuererstattung – die steuerfrei ist. Eine Anrechnung auf Steuervorauszahlungen ist nicht möglich.
Anspruch auf die Forschungszulage haben Unternehmen mit eigenbetrieblicher Forschung aber ebenso Unternehmen mit Kooperations- und Auftragsforschung. Im Jahr 2019 haben deutschlandweit Unternehmen 75,6 Mrd. Euro für eigene, unternehmensinterne Forschung und Entwicklung ausgegeben, so der Stifterverband. Die Ausgaben für externe FuE-Aufgaben betrugen 21,6 Mrd. Euro, denn viele Unternehmen vergaben FuE-Aufträge an weitere Unternehmen, Hochschulen oder Forschungseinrichtungen im In- und Ausland. Auch diese Unternehmen haben ggf. einen Anspruch auf die Forschungszulage – Grundlage: Verträge, Standort des externen Unternehmens etc.
Die Forschungszulage trat im Januar 2020 in Kraft. Bisher gab es bereits mehrere Anpassungen. Es ist davon auszugehen, dass weitere Konkretisierungen 2021 bevorstehen, denn für den Bereich “verbundene Unternehmen” hat das Bundesfinanzministerium bereits Änderungen vorgeschlagen. Und der Bundesrechnungshof hat zwei Berichte an den Deutschen Bundestag mit kritischen Punkten und Fallbeispielen zur Forschungszulage gesendet. FDP-Finanzpolitiker Markus Herbrand mahnte gegenüber der “FAZ”: “Bundesfinanzminister Scholz täte gut daran, die unüblich deutliche Kritik der obersten Rechnungsprüfer an sein Haus ernst zu nehmen, damit aus der Forschungszulage kein Rohrkrepierer wird“.
Insgesamt bewertet Schwertner die deutsche Forschungszulage als eine große Chance für Startups, den Mittelstand und Konzerne, um die eigenbetriebliche Forschung und Entwicklung aber auch Auftrags- und Kooperationsforschung zu finanzieren. Ein klarer Vorteil sei, dass die Förderung rückwirkend beantragt werden muss. Im Gegensatz zu Forschungsprojekten in der Zukunft, lassen sich so die bereits erfolgten Tätigkeiten, Fortschritte und Rückschläge genau benennen. Darüber hinaus sei die komprimierte Antragsform auf Bescheinigung ein weiterer Vorteil, denn somit entfallen Beschreibungen im Umfang einer Diplomarbeit. Gleichzeitig liegt in der Kurzform eine inhaltliche und sprachliche Herausforderung, die von den Unternehmen nicht unterschätzt werden sollte, so Schwertner. Daher sollten Unternehmen mit FuE frühzeitig ihre Projekte mit Experten besprechen, damit später die geforderten Unterlagen und Forschungsergebnisse in der benötigten Form vorliegen.
Dr. Carsten Schmidt